Wort zum Sonntag: Jesu Versuchung

(Matthäus 4,1-11)

Nachdem der Sohn Gottes in Menschengestalt bei seiner Taufe vom Vater und vom Heiligen Geist in seinem zweifachen Stand bestätigt worden war, sollte nun geprüft werden, ob das angenommene Fleisch den Ablenkungen des Alltags auch standhalten könne. Dazu führte ihn der Geist in die Wüste, die dem Leben mit gar nichts entgegenkommt und alle menschlichen Abhängigkeiten bloßlegt. Und da man in den himmlischen Sphären einander kennt und dort der Gute auch mit dem Bösen sachlich dialogiert, wurde der Teufel selbst mit der Prüfung beauftragt, denn er, der zuvor schon dem Hiob arg zugesetzt hatte, wusste am besten, wie die Schwächen der Frommen listig ausgenutzt werden können, um sie zu Fall zu bringen.

Vierzig Tage und Nächte ließ der Widersacher verstreichen, ehe er an den Christus herantrat, der in dieser Zeit abstinent gelebt hatte. Da in ihm die göttliche Natur mit der menschlichen unvermischt und ungetrennt zu einer Einheit verwoben sind, stand zu erwarten, dass der von Mangel zermürbte Leib auch seinen Geist geschwächt habe. Aber wir sehen erfreut, dass Jesus den Versuchungen nicht nachgab. Später hat er öfters das getan, was hier der Teufel von ihm verlangte, aber nicht, um seine Überlegenheit zu beweisen, sondern weil es seinem Willen entsprach. Nie hat er seine göttliche Macht und Herrlichkeit einfach zur Schau gestellt, aber auch nie einen Bittenden in seiner Bedrängnis ohne vollmächtige Abhilfe gelassen.

Alle drei weltlichen Versuchungen werden latent von einer geistigen durchzogen: dem Disput über die Interpretation der Heiligen Schrift. Der Versucher plädiert für eine die Situation begünstigende Auslegung, die ihren Sitz im Leben hat, während der Heiland den ewigen Willen Gottes als richtungsweisend nimmt. Daraus machen Schultheologie und auch manche spekulierenden Christen gerne ein Dilemma, ohne zu bedenken, dass es sich dabei um zwei verschiedene Wege handelt, deren einen der Teufel vorschlägt und der wahrscheinlich auch zu ihm führt. Der andere, den Jesus aufzeigt, indem er ihn geht, ist der Weg der andauernden Bescheidenheit und Verletzlichkeit, der Weg des Vertrauens in das geschriebene Wort.

An den vier Versuchungen Jesu müht sich die Menschheit ab bis auf den heutigen Tag – die Weisungen Gottes missachtend und dem Widersacher folgend. Aus Angst vor Hungersnöten wird versucht, aus allen möglichen Stoffen Lebensmittel herzustellen. Im Bestreben, sicher und unverletzlich zu sein, werden ungeheuer viele und aufwendige Absicherungssysteme entwickelt. Das Verlangen nach Macht und Reichtum erfasst immer breitere Schichten der Gesellschaft. Und was die Auslegung der Bibel angeht, so können die Theologen nicht schnell genug schreiben, gemessen an dem allgemeinen Verlangen nach Anpassung der Schrift an die Realität. Es gibt inzwischen vermutlich mehr christliche Buchtitel als lebendige Christen.

Wie ist es aber möglich, dass so viele getaufte Menschen die Existenz des Teufels bezweifeln? Wohl deshalb, weil er sich nur jenen zeigt, die ernsthaft nach dem Reich Gottes trachten. Um jene, die sich mit ihrem Dasein begnügen und leben, wie es kommt, muss sich Luzifer nicht persönlich kümmern, das sind leichte Opfer, denen schickt er unglückliche Zufälle, widrige Umstände oder böse Menschen. Wenn aber einer fromm ist und Gott fürchtet und in der Heiligung fortschreitet, dann schaltet sich der Satan selbst ein und der Christ hat nicht mehr mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit dem Herrn der Finsternis, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Aber gleichzeitig treten Engel hinzu und stärken ihn. Amen.

 

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