Würdigung am Tag der Nationalen Kultur in Temeswar

Es ist eine außergewöhnliche Kommunalratssitzung an diesem besonderen Tag – dem 15. Januar, Tag der Nationalen Kultur, am 174. Geburtstag des rumänischen Dichters Mihai Eminescu. Außnahmsweise sind heute im Capitol-Saal der Banatul-Philharmonie die Kommunalräte, ehemalige Bürgermeister und Vizebürgermeister, aber auch geladene Gäste eingetroffen. Sie sind da, um Persönlichkeiten, die durch ihre herausragenden Leistungen zur Entwicklung und zum Ansehen der Stadt Temeswar/Timișoara auf nationaler und internationaler Ebene beigetragen haben, zu würdigen. Gleich zwölf solche Persönlichkeiten – Schauspieler, Schriftsteller, Filmemacher und Musiker – Ida Jarcsek-Gaza,  Mircea Mihăieș, Andrei Ujică und die Pro Musica-Band mit Bandmitgliedern von gestern und heute – werden zu neuen Ehrenbürger der Stadt Temeswar. 

Ida Jarcsek-Gaza ist die erste Persönlichkeit, der die Ehrenbürgerwürde überreicht wird. Als Schauspielerin hat sie Film und Fernsehen gemacht und wurde im Laufe ihrer Karriere mit zahlreichen Preisen belohnt. Zwischen den Jahren 1992 und 2003 war sie Leiterin der deutschsprachigen Schauspielabteilung an der West-Universität Temeswar und zwischen den Jahren 2003 und 2007 künstlerische Leiterin des Deutschen Staatstheaters Temeswar. 2023 wurde sie für ihre gesamte Tätigkeit vom Rumänischen Theaterverband UNITER ausgezeichnet.

Der Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT), Lucian Vărșăndan, würdigt in seiner Laudatio den außerordentlichen Beitrag der Schauspielerin zur Förderung und Kontinuität der deutschen kulturellen Tradition in der Stadt an der Bega. „Ida Jarcsek-Gaza ist eine facettenreiche Persönlichkeit, deren Anmut und Hingabe in den verschiedenen Rollen der Kunst – zunächst als Schauspielerin, dann als Lehrerin, Mentorin, Theaterregisseurin, Dramatikerin – ihre ebenso geschätzte wie fesselnde Präsenz auch heute, mehr als 53 Jahre nach ihrem Debüt auf der Bühne des Deutschen Staatstheaters, gefunden hat“, so Lucian Vărșăndan, der in der Laudatio auch die perfekte Dreisprachigkeit (Rumänisch, Deutsch und Ungarisch) von Jarcsek-Gaza hervorhob. 

Im Anschluss an die Worte des DSTT-Intendanten überreicht Bürgermeister Dominic Fritz der Temeswarer Schauspielerin die Ehrenbürgerwürde. Sichtlich gerührt verrät Ida Jacsek-Gaza, dass sie sich Gedanken gemacht habe, dass sie nicht genug für ihre Heimatstadt gemacht hätte und nähme sich nun vor, mehr für ihre Stadt, auch außerhalb des Theaterlebens, zu tun. 

Der gebürtige Arader Mircea Mihăieș wurde als Nächster geehrt. Der Schriftsteller und Universitätsprofessor hat sich für die Achtung von Werten wie Freiheit,  Demokratie und bürgerlichen Respekt eingesetzt. Wie Professor Vasile Popovici in seiner Laudatio auf seinen guten Kollegen und Freund sagte, sorgte Mihăieș für eine höchst angesehene und effiziente Leitung des Rumänischen Kulturinstituts. Im Jahr der Kulturhauptstadt Temeswar 2023 konzipierte und förderte der Schriftsteller und Universitätsprofessor die Konferenzreihe „An der UVT ist Kultur die Hauptstadt“ und brachte wichtige Nobelpreisträger nach Temeswar.
Die Lektorin Adina Baya hält die Laudatio auf Andrei Ujică, den Temeswarer Regisseur mit der bedeutendsten internationalen Karriere. Andrei Ujică, der zugleich auch Schriftsteller ist, schrieb in den 70er Jahren zusammen mit dem Dichter Șerban Foarță mehrere Liedtexte für die Musikband Phoenix. Gleichzeitig übersetzte er mehrere Texte der Aktionsgruppe „Banat“ aus dem Deutschen ins Rumänische und hatte den Mut, sich vom kommunistischen Regime abzuwenden. Seine außergewöhnlichen Qualitäten machten ihn auch in Deutschland bekannt, wohin er 1981 auswanderte. Er etablierte sich als Schriftsteller mit Bänden von Essays, Lyrik und Prosa. Seit 2001 lebt Andrei Ujică wieder in Rumänien. „Nun hat sich die Waage ausgeglichen – ich habe 36 Jahre in Rumänien und 36 Jahre in Deutschland gelebt“, sagt er nach der Überreichung der Würdigung. 

Die Musikgruppe „Pro Musica“ ist beim Temeswarer Publikum durch ihre gesamte Diskographie bekannt und beliebt. Ihr Lied „Timișoara“ wurde 1989 zur Hymne der Revolution, später zur offiziellen Hymne der Stadt. Das Lied wird nach einer Schweigeminute für die verstorbenen Temeswarer Musiker Vasile (Lică) Dolga und Adrian Bărar, dessen Geburtstag an diesem Tag gewesen wäre, im Raum gespielt. Die berührende Verse von Marian Odangiu zur Musik von Ilie Stepan geben den Tumult der Temeswarer Revolution nach wie vor wieder. 

Ilie Stepan sitzt im Saal – der Musiker ist bereits seit 2012 Ehrenbürger von Temeswar. In diesem Jahr, nachdem ein halbes Jahrhundert seit dem ersten öffentlichen Konzert von „Pro Musica“ vergangen ist, werden auch neun weitere Mitglieder der Band geehrt. Sie alle haben einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Temeswarer Musik insgesamt geleistet. Die Laudatio wird von gleich zwei Rednern gehalten – Marius Giura, Vorsitzender der Kulturstiftung „Jazz Banat“, und Cristian Rudic, Intendant der Rumänischen Nationaloper in Temeswar.

Der Drummer Vasile Dolga war jahrzehntelang bei „Pro Musica“ aktiv, hat auf den großen Bühnen Rumäniens gespielt und wurde 1987 zum „besten Schlagzeuger des Landes in der Sparte Rock“ gewählt. Er ist im Jahr 2019 verstorben und wurde nun post-mortem zum Ehrenbürger von Temeswar. Grigore-Bujor Hariga, Gitarrist, Komponist, Orchestrator und Gitarrenlehrer, war Mitglied der Studentenbands „Stix“, „Omicron“ und „Syrynx“ und wurde 1981 Mitglied der Gruppe „Pro Musica“, der er noch heute angehört. Dorel-Eugen Titz, Schauspieler am Nationaltheater von Temeswar und Gründungsmitglied der Gruppe „Pro Musica“ 1973, ist Mitautor und Texter mehrerer Kompositionen der Band. Marian Odangiu, Literaturkritiker, Essayist, Dichter und Journalist, ist auch der Autor des Textes des Liedes „Timișoara“. Er hat zahlreiche Preise für seine Literaturkritik und seine journalistische Arbeit erhalten und wurde 2002 mit dem Preis des Schriftstellerverbandes für Poesie ausgezeichnet.

Doru Apreotesei ist Komponist, Pianist, Keyboarder und Orchestrator. Als professioneller Musiker, der in klassischer Musik ausgebildet wurde, hat er im Laufe der Jahre verschiedene Genres erkundet, von Folk bis Pop und Jazz. Er ist Gründungsmitglied von „Pro Musica“, bei deren erstem Konzert 1973 er auf der Bühne stand. Dietrich (Dixie) Krauser, Bassist und Kontrabassist, hat mit den Gruppen „Phoenix“ (wo er auch Gesangssolist war), „Pro Musica“, „LM Blues Band“, „KPK“ mit Mircea Florian und „Stepan Project“ gespielt. Er war auch als Komponist für die Gruppen „Sector 3“ und „Metamorf“ tätig. Mario Florescu, die Stimme im Lied „Timișoara“, war von 1987 bis 1992 Gesangssolist bei Pro Musica. Er ist Gründungsmitglied der berühmten Gruppe „Shabah“ aus Klausenburg/Cluj-Napoca, mit der er zahlreiche Preise bei bedeutenden Jazzwettbewerben in Europa gewonnen hat. Er arbeitet mit Harry Tavitian im Projekt „Orient Express“ zusammen. Horea Silvio Crișovan, Gitarrist, Komponist und Orchestrator, ist seit 2014 Mitglied von „Pro Musica“. Sein Name ist auch für seine Arbeit in den Musikgruppen „VanDerCris“, „TM Groove“, Ilie Stepan und Horea Crișovan Duo, „Abra“ u.a. bekannt. Als Studiomusiker hat er an Aufnahmen für Theater, Film, Sounddesign und Kompositionen mitgewirkt und ist in fast 1000 Musikproduktionen zu hören.
 

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