Eine vom Kommunismus zerstörte Liebesgeschichte

Eine vom Kommunismus zerstörte Liebesgeschichte

Vor ein paar Tagen fing eine von Frauen besonders beliebte und ihnen gewidmete Zeit des Jahres an. Ab dem 14. Februar  wird auch hierzulande der Monat der Liebe gefeiert, welcher den internationalen Valentinstag, den rumänischen Tag der Verliebten „Dragobete“ (24. Februar), den dem Frühlingsanfang gewidmeten Märzchentag (1. März) und den Weltfrauentag (8. März) einschließt. Aus diesem Anlass wurde vor Kurzem im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ in Bukarest, in Zusammenarbeit mit dem Verein Diplomatie und Europäische Kulturidentität (ADICE), das Leben der Ehefrau des konservativen Politikers Corneliu Coposu, die selbst ein Opfer der Grauen des Kommunismus und politische Gefangene gewesen ist, und ihre tragische Liebesgeschichte  ausgehend vom Buch „Arlette Coposu, die Gattin des Seniors“ (2020) von Andreea Mâniceanu, vorgestellt. Arlette und Corneliu Coposu hatten sich in ihrer Jugend aus Liebe vermählt, doch in ihrer 23-jährigen Ehe verbrachten sie nur sechs Jahre zusammen, unter Kriegs-, Haftbedingungen und in Krankheit. Ihre Liebesgeschichte zeugt von einer reinen Liebe und Aufopferungsfähigkeit, welche über die Zeit hinaus gehen.

Die Autorin Andreea Mâniceanu, Historikerin und Kuratorin beim Bukarester Stadtmuseum, wies darauf hin, dass die Entstehung des Buches zehn Jahre zurück liegt. Dessen Ausgangspunkt war eine Ausstellung von Pärchenfotos historischer Persönlichkeiten Rumäniens im Februar 2014. Bei der Ansicht des Fotos der wenig bekannten Gattin des Politikers Corneliu Coposu kam die Autorin auf die Idee, ihr Leben und ihre tragische Liebesgeschichte in ihrer Masterarbeit und anschließend auch in einem Buch der Öffentlichkeit vorzustellen. Zur ihrer Enttäuschung fand sie aber keine Sekundärliteratur über Arlette Coposu für ihre Bibliografie. Trotz aller Hindernisse war die Autorin darauf ausgerichtet, Licht in die unbekannte Geschichte der Gattin Coposus zu bringen und ihre Erinnerung für die Nachwelt aufzubewahren, so dass sie sowohl das Gespräch mit Arlettes Bekannten suchte, die vor zehn Jahren noch am Leben waren, als auch auf das Archiv des Nationalrates für die Erforschung  der Unterlagen der Securitate (CNSAS) zugriff.

Keine direkten biografischen Quellen

Die Gastrednerin Alina Pavelescu, stellvertretende Leiterin des CNSAS-Archivs, bekräftigte, dass es tatsächlich keine direkten biografischen Quellen über Arlette Coposu gibt. „Aber wir erfahren etwas über sie aus den Geschichten anderer und den Geschichten ihrer Schwägerinnen, aus den Securitate-Unterlagen über sie und ihren Mann, die in der typischen hölzernen Sprache des kommunistischen Geheimdienstes verfasst sind. Von dort wissen wir, was sie den Ermittlern erzählte oder zugeben musste“, sagte Alina Pavelescu. Über ihre Inhaftierung ist außer einer Liste der Strafen, die sie erlitten hat, darunter Haft, Isolation, Essensentzug usw., nichts anderes bekannt. „Die Rekonstruktion ihrer Biografie ist kontextbezogen, tragisch und paradox, da Arlette, die die Protagonistin ihrer eigenen Biografie hätte sein sollen, eine Randfigur geblieben ist“, betonte Alina Pavelescu.

Um ihr Leben zu verstehen, war es nötig, sich auf die Menschen zu beziehen, die sie kannte, insbesondere auf ihren Ehemann, den Politiker Corneliu Coposu.

Der Ehemann

Corneliu Coposu wurde 1914 im Dorf Bobota, Kreis Salaj, als Sohn des griechisch-katholischen Dekans Valentin Coposu geboren. Nachdem er ein Jura- und Wirtschaftsstudium an der Universität Klausenburg/Cluj abgeschlossen hatte, wirkte er zwischen 1935 und 1937 als Präsident der Jugendorganisation der Nationalen Bauernpartei PN} in Klausenburg und als Mitarbeiter verschiedener örtlicher Zeitungen.

Ein anderer Gastredner, Tudor Călin Zarojanu, Schriftsteller und Journalist, erinnerte an Corneliu Coposus wichtige Stelle als persönlicher Sektretär und allmählich politischer Sekretär von Iuliu Maniu, einem konservativen Politiker, Vorsitzenden der PN}-Partei und mehrfachen Premierminister Rumäniens. Coposu hat Maniu ab 1937 zehn Jahre lang bei allen wichtigen politischen Missionen und Verhandlungen mit westlichen Diplomaten und Leitern der politischen Parteien in der Anti-Hitler-Koalition unterstützt. Ihm wurde der geheime Kodex der diplomatischen Korrespondenz anvertraut, mit dem die Opposition den Austritt Rumäniens aus der Achse und seine Rückkehr zu den traditionellen Verbündeten aushandelte.  

1941 lernte er seine zukünftige Frau Arlette, die Tochter des Generals Marcovici und von Jeanne Husser, kennen. Der General war während des ersten Mandats von Iuliu Maniu als Premierminister Mitglied seines Kabinetts gewesen. Corneliu Coposu und Arlette trafen sich in Konstanza, wo Maniu sich in einem französischen Hotel aufhielt, das Arlettes Großmutter leitete. Ein Jahr später heirateten sie.

„Arlette hat nicht viel geredet, aber sie hatte eine Art, Dinge darzustellen… Niemand hat mit mir so schön über Bessarabien gesprochen wie sie! Und sie sprach das schönste Rumänisch! Einwandfrei. Ohne Akzent, ohne Regionalismen, lauter Hochsprache“, beschrieb sie ihre Schwägerin, Flavia Coposu-B²lescu, im Gespräch mit der Autorin des Buches.

Politische Haftstrafe

Im Juli 1947 wurde Corneliu Coposu zusammen mit dem gesamten PN}-Vorstand verhaftet. Arlette war während der Inhaftierung ihres Mannes nicht frei, sondern wurde 1950 zusammen mit ihrer Schwester Rose-France in einem inszenierten Spionageprozess verhaftet und durchlief mehrere Gefängnisse, darunter die härtesten für Frauen, ergänzte Dr. Habil. Cosmin Budeancă

Tiefebene

, Historiker und Chefredakteur von „Memoria- Zeitschrift des verhafteten Denkens“. Dies hatte Auswirkungen auf ihren Gesundheitszustand. Als er die Securitate-Unterlagen von Corneliu Coposu erforschte, entdeckte Dr. Budean², dass es einen  Erpressungsversuch an der schwer erkrankten Arlette gab. Sie hätte Medikamente aus dem Ausland erhalten können, wenn Corneliu Coposu mit dem Geheimdienst kooperiert hätte.

Ihre Schwester starb im Gefängnis und ihr Ehemann saß 17 Jahre lang im Kerker und verbrachte weitere zwei Jahre mit Zwangsaufenthalt in einem Arbeitslager in der Bărăgan-Tiefebene.

Niculina Moica, eine andere ehemalige politische Gefangene, beschrieb Coposus Frau im Gespräch mit Andreea Mâniceanu als „sehr diskrete Erscheinung, sie war groß und hatte einen Teil ihrer Haare auf dem Kopf geflochten. Ich erinnere mich daran, wie sie Romane erzählte, und wann immer ich den Film „Jane Eyre“ sehe, erinnere ich mich unweigerlich an sie. Sie war sehr traurig, ihr Gesicht zeigte die schweren Jahre der Gefangenschaft“.

In einem Abschnitt aus ihrem Buch geht Andreea Mâniceanu auf meherere Deteils ein. „Arlette wurde am 15. April 1964 (nach 14 Jahren) aus dem Gefängnis in Großwardein/Oradea entlassen. „Sie gehörte zu den letzten Personen, die nach dem Dekret 411 freigelassen wurden“, erzählte Flavia Coposu-Bălescu. Nach so vielen Jahren unter den harten Bedingungen kommunistischer Gefängnisse war sie in einem solchen Zustand von Erniedrigung und Schwäche, dass sie, als sie nach Hause zurückkehrte, nicht erkannt wurde. ‚Ich weiß nicht wie sie erfuhr, dass wir inzwischen aus dem Haus ausgewiesen und nach Dudești verlegt wurden. Natürlich habe ich sie sehr gut aufgenommen, sie war furchtbar dünn’“.

Zum Zeitpunkt der Freilassung seiner Frau befand sich Corneliu Coposu noch im Zwangswohnsitz im Bărăgan, aber aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands und der Tatsache, dass die kommunistischen Behörden ihren Ausweis nicht herausgeben wollten, konnte Arlette ihn nicht besuchen. Seine Schwestern kamen eine nach der anderen, auch seine Mutter, aber seine Frau war nie da, weil sie bereits schwer krank war.

Zwei Wochen nach Arlettes Ankunft zu Hause wurde Corneliu Coposu aus dem Zwangsaufenthalt entlassen. „Cornel war der Letzte, der dieses Dorf verließ. Die waren Zyniker, große Schurken, wenn man darüber nachdenkt“, erinnerte sich seine Schwester Flavia.

Nach einer 14-jährigen Haftstrafe kehrte Arlette zurück und erlag ihrer Krebserkrankung am 27. Dezember 1966.

Die Erinnerung bleibt

Weiter brachte Tudor Călin Zarojanu einiges über Corneliu Coposu in Erinnerung.

Nach dem Tod seiner Gattin heiratete Coposu nie wieder. Weitere 25 Jahre bis zum Sturz des kommunistischen Regimes war er täglich vom Geheimdienst überwacht worden. Nach der Dezemberrevolution 1989 rief „der Senior“, wie ihn seine Zeitgenossen nannten, die Bauernpartei wieder ins Leben, diesmal als christlich-demokratische PN}CD, wurde deren Präsident und ging 1991 das oppositionelle Rumänische Demokratische Wahlbündnis CDR ein.

Coposus politischen Gegner, die damalige von Ion Iliescu geleitete Nationale Rettungsfront (FSN), fürchtete sich vor der Machtübernahme eines Zeitzeugen der Geschichte. Nach der Wende fiel Coposu einer Verleumdungskampagne zum Opfer, die durch Manipulation die historische Wahrheit völlig verdrehte. Es hieß auch, dass er bis 1989 in Paris gelebt habe, obwohl er in der Tat ein ehemaliger politischer Häftling gewesen war. Coposu prägte den Begriff „Kryptokommunismus“ weil er festgestellt hatte, dass unter der Fassade der Demokratie und der freien Wahlen ein Teil der Mentalität und Handlungsweise der Kommunisten erhalten blieb, beziehungsweise wiederbelebt wurde.

Der „Senior“ wurde 1995 von Hunderten Tausenden Menschen aus dem ganzen Land auf dem letzten Weg begleitet. Sein Tod trug  dazu bei, dass das Wahlbündnis CDR ein Jahr später an die Macht kam.

„Wie es so schön heißt, steht hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau. Oft blieben sie anonym, aber dank Andrea Mâniceanu kam Arlette Coposu aus der Anonymität heraus“, unterstrich Cătălin Zarojanu. „Die Autorin gibt einen allgemeinen Überblick über die Zeit und vor allem über die Geschichte der kommunistischen Gefängnisse, einschließlich der Nennung weiterer Namen von Politikerehefrauen, die unter der Tätigkeit ihrer Lebenspartner grausam gelitten haben – genauer gesagt als Ergebnis des kommunistischen Hasses auf alles, was nicht kommunistisch war“.

Dr. Cosmin Budeanc² hob hervor, das vorgestellte Buch sei eine wichtige Arbeit, da bisher überwiegend die männlichen Opfer und politischen Gefangenen des kommunistischen Regimes in Rumänien erforscht wurden und weniger die weiblichen.
Betroffen vom Grauen des Kommunismus waren nicht nur die diejenigen, die Widerstand dagegen geleistet hatten und aus politischen Gründen inhaftiert worden waren, sondern auch ihre Familien als Kollateralopfer, insbesondere die Mütter, Schwestern, Ehefrauen und Kinder. Einige Frauen wurden zur Scheidung gezwungen. Die Scheidung an sich stellte für politische Gefangene ein neues Trauma dar, obwohl sie rein formal durchgeführt wurde, damit die Frauen, distanziert von ihren Namen, ein relativ normales Leben führen und ihre Kinder großziehen konnten. Außerdem wurden die Ehefrauen politischer Häftlinge vom Arbeitsplatz entlassen, sozial ausgegrenzt, ihre Kinder wurden unter sozialen Druck gesetzt und nicht zur Hochschule zugelassen. Die inhaftierten Männer waren der Meinung, dass ihre Familie zu Hause oft ein härteres Leben als sie geführt hatte.

Es sei wichtig, ihr Leben bekannt zu machen, auch um gegen das Unwissen zu kämpfen, welches laut jüngster Statistiken zu einer wachsenden Nostalgie nach der kommunistischen Zeit in der rumänischen Gesellschaft führe, erklärte Dr. Budeancă abschließend.

 

 

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