„Für die Fans noch viel schlimmer“: Der HSV ist am Boden – und wird ausgepfiffen

„Für die Fans noch viel schlimmer“: Der HSV ist am Boden – und wird ausgepfiffen

Die Botschaft war deutlich und in derselben Form bereits vor ziemlich genau zwei Jahren im Hamburger Fan-Block lesbar: „It ain’t over till it’s over“. Am 32. Spieltag der Saison 2021/22, bei einem 4:0-Sieg des HSV in Ingolstadt am 30. April 2022, hatten die Fans ein Banner mit dieser Aufschrift hochgehalten. Und an diesem Samstagabend nun wieder. Nach dem 0:1 (0:0) zu Hause gegen Holstein Kiel lautet die inoffizielle Erkenntnis allerdings so: Es ist vorbei, mal wieder – wenn kein großes Wunder mehr passiert. Während die jubelnden „Störche“ kurz vor dem Direktaufstieg stehen, liegt der HSV vier Spieltage vor dem Saisonende am Boden.

Als sich die Fans auf der Nordtribüne gegen 22.30 Uhr doch noch dafür entschieden, „HSV, HSV“ zu skandieren, war der Großteil der Mannschaft bereits in den Katakomben angelangt. Vorher hatten sich die Profis viele Pfiffe anhören und aus sicherer Distanz zudem Gesten der Wut anschauen müssen, sodass der Gang vor die Kurve diesmal zu einem sehr kurzen wurde – während auf der gegenüberliegenden Seite grenzenlos gefeiert wurde. Der Tabellenführer von der Kieler Förde ist punktemäßig jetzt nicht mehr zu überholen für den HSV (61 zu 49 Zähler).

HSV-Fans reagieren mit Wut: „Müssen Unmut kundtun“

„Natürlich müssen die ihren Unmut auch kundtun“, zeigte Sebastian Schonlau im Moment der Enttäuschung Verständnis für die Reaktionen der HSV-Anhänger. „Für uns war es richtig schlimm – aber für die Fans noch viel schlimmer“, sagte Jonas Meffert, der nach der Pleite im Nordduell festhalten musste: „Es liegt nicht mehr viel in unserer Hand.“ Da half es dem HSV auch nicht, dass der Auftritt gegen Kiel eigentlich zu den besseren gehörte, seitdem Steffen Baumgart im Amt ist. Aber er reichte eben nicht, obwohl Kiel nicht das bessere Team war.

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Jonas Boldt hatte vor dem Anpfiff auch noch eine Botschaft: „Wenn du oben dranbleiben willst, und das wollen wir, dann musst du hier drei Punkte einfahren“, sagte der Sportvorstand bei Sport1. „So einfach ist das formuliert.“ Alles, aber nicht einfach war dann die Aufgabe gegen den Spitzenreiter. Zumal László Bénes angeschlagen ausfiel. Ohne seinen Topscorer erlebte der HSV kurz nach dem Anpfiff eine Schrecksekunde, als der von Ransford Königsdörffer abgefälschte Distanzschuss von Finn Porath an den Außenpfosten flog (2.).

Ausgeglichene erste Hälfte zwischen HSV und Holstein Kiel

Was folgte, war ein zweikampfintensives Nordduell mit vielen Nickligkeiten, vielen kleinen und größeren Fouls und abwechselnd guten Chancen auf beiden Seiten. Bezeichnend: Der Ballbesitz war bis zur Pause ausgeglichen (50:50), beide Mannschaften liefen in der ersten Hälfte ziemlich genau 57 Kilometer und hatten jeweils acht Torschüsse auf der Habenseite. Der HSV hatte die besten durch Levin Öztunali, der für Bakery Jatta beginnen durfte (13.), zudem durch Königsdörffer (20.) und durch den Startelf-Rückkehrer Robert Glatzel, dessen Kopfball vor der Linie gerettet wurde (33.) und dessen Schuss aus der Drehung Holstein-Keeper Timon Weiner parierte (45.).

Lewis Holtby (22.), Steven Skrzybski (30.) und Shuto Machino (38.) vergaben für Kiel, das in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs vergeblich Elfmeter forderte, als der Ball vom Fuße Timo Beckers am Arm von Ludovit Reis landete (45.+3). Schiedsrichter Sascha Stegemann entschied nach Ansicht der Videobilder gegen Strafstoß, der HSV hatte Glück – und nach der Pause das Momentum kurz auf seiner Seite.

Lewis Holtby sieht Gelb-Rot – aber außer Rothe trifft keiner

„Wir wollen das Stadion anzünden und gucken, was möglich ist“, hatte Boldt ebenfalls angekündigt. Und die Arena war voll da, als Glatzel ein „Riesen-Ding“ (Schonlau) vergab, indem er den Ball nach einer Flanke nicht über die Linie gedrückt bekam (53.). Und auch noch, als der auffällige Reis einen Schuss von Holtby vor der Linie abgrätsche (58.). Dann aber war der abermals ausverkaufte Volkspark still – weil dem früh für den verletzten Porath eingewechselte Tom Rothe der Ball nach einer Ecke vor die Füße fiel. Das Ex-St. Pauli-Talent traf aus kurzer Distanz zum 0:1 in den Winkel (58.). HSV-Keeper Matheo Raab war zuvor behindert worden – doch auch hier blieb Referee Stegemann nach VAR-Überprüfung bei seiner Meinung. Zur Verwunderung der HSV-Verantwortlichen, die später zürnten.

Kopf oben halten, Brust raus, ließ die Körpersprache der HSV-Profis trotz des Dämpfers verlauten. Und als Holtby nach einem harten Einsteigen gegen Miro Muheim Gelb-Rot sah (76.), gehörte die Spielkontrolle wieder dem HSV. Masaya Okugawa kam, auch Bakery Jatta und wenig später Jean-Luc Dompé, András Németh sowie Anssi Suhonen. Einzig: Dem HSV fiel offensiv zu lange zu wenig ein, während Kiel in Unterzahl tief stand und auf Konter lauerte. Okugawas Versuch war zu zaghaft und Suhonens anschließender Distanzschuss ging knapp vorbei (85.). Mehr kam nicht. Und das ist mit einem Mann enttäuschend. „Wir schießen zu viele Dinge nicht aufs Tor – sondern daneben“, monierte Baumgart in seiner Zusammenfassung des Spiels.

Der HSV verliert auch noch den Anschluss auf Platz drei

Auch bezeichnend: Reis rutschte in der 90. Minute bei einem Eckball weg. Und weil in den sechs Minuten Nachspielzeit kein Ball mehr gefährlich vor das Kieler Tor flog, verließen viele HSV-Fans das Stadion vorzeitig. Auch sie wissen um die Lage in der Tabelle: Fortuna Düsseldorf, das am Nachmittag mit 1:0 gegen Greuther Fürth gesiegt hatte, hat als Dritter nun sechs Punkte Vorsprung auf den HSV – und zudem ein um 16 Treffer besseres Torverhältnis. Auch die letzte Hoffnung Relegation rückt in immer weitere Ferne, scheint angesichts der Düsseldorfer Serie (sechs Siege in Folge) nun quasi unerreichbar.

Mit entsprechend versteinerten Mienen schauten Schonlau und Co. nach Abpfiff drein, während sich die Kieler vor der Gästekurve unter „Spitzenreiter, Spitzenreiter“-Sprechchören feiern ließen. „Mir tut es weh, die Kieler hier bei uns im Stadion jubeln zu sehen“, räumte der HSV-Kapitän ein.

HSV-Stürmer Glatzel weiß: „Jetzt muss ein Wunder her“

Als Schonlau und seine Kollegen mit gesenkten Köpfen vor die Nordkurve schritten, waren dann auch Pfiffe zu hören. Lautstark. Die Geduld der Fans ist aufgebraucht. Weil nun fast endgültige Gewissheit darüber besteht, dass eine siebte Saison in der Zweiten Liga bevorsteht. „Bei der Ausgangslage muss jetzt ein Wunder her“, wusste nicht nur Glatzel. „Wir haben alles versucht, was in uns drinsteckt. Aber jetzt muss alles zusammenkommen.“ Schonlau pflichtete dem erneut blassen Stürmer bei: „Ich glaube, wir müssen schon realistisch sein.“ Auch wenn der Glaube zuletzt sterbe – also erst dann, wenn auch rechnerisch alles fix sei.

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„Wir sollten anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen. Sonst müssen wir über nichts reden“, resümierte Baumgart. Der Rückstand auf Platz drei sei jetzt „ein Brett“, sagte der HSV-Trainer, der Kiel auf der Pressekonferenz schon viel Erfolg in der Bundesliga wünschte – und mit Blick auf die eigene Situation vielsagend ergänzte: „Wir sollten den Realismus nicht außer Acht lassen.“ Auch wenn aufgeben die letzte Option sei. „It ain’t over till it’s over“, na klar. Aber die Körpersprache der HSV-Profis sprach am späten Samstagabend bei allen Worten des Trotzes eher dafür, dass es nun tatsächlich vorbei ist. Wieder mal.

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