„Wir wollen unsere Arbeit in Frieden fortführen“

„Wir wollen unsere Arbeit in Frieden fortführen“

Das Bukarester Goethe-Kolleg sorgt weiterhin für Schlagzeilen – diesmal durch einen offenen Brief an das Präsidialamt, teilte das Bildungsportal Edupedu am Donnerstag mit. Es ist das zweite Mal, dass die Lehrerschaft gegen die Untersuchungen und insbesondere gegen die Vorgehensweise des Kontrollausschusses des Bildungsministerium protestiert, nachdem sie vor zwei Monaten einen Spontanstreik ausgelöst hatte. Die 90 Lehrkräfte beklagen sich, dass „die gültige Gesetzgebung die Schule nicht schützt“ und dass „die Lehrer immer weniger Rechte haben“ und wünschen sich, „mehr Wahrheit“ ans Licht zu bringen. Gleichzeitig möchten sie den Eltern und den Behörden ans Herz legen, dass die tatsächlichen Opfer der andauernden Streitigkeiten und der Einmischung der Eltern in den Bildungsakt die Schüler selbst sind. Der „Anstand der Lehrkraft“ werde oftmals mit einer „Akzeptanz des Missbrauchs“ verwechselt, beklagen sich die Lehrer.

Trotz Wechsel der Schulleitung scheint der Kontrollausschuss des Bildungsministeriums seine Überprüfungen im selben, von der Lehrerschaft als „demütigend“ beschriebenen Stil, weiter fortzuführen, was auf komplexere  Hintergründe schließen lässt, als ursprünglich mitgeteilt. Auslöser der Überprüfungen waren die Anschuldigungen einer einzigen (gut vernetzten) Mutter innerhalb des Kollegs mit über 2000 Schülern, die dies über das Bildungsministerium veranlasst hatte. Die Mutter beklagte in der Elternsitzung eine „ungerechte Behandlung“ ihres Kindes und zu schlechte Noten durch eine Lehrerin, sowie den Ausschluss von den freiwilligen nachschulischen Tätigkeiten dieser Lehrerin, so der von Edupedu vorgestellte Elternsitzungsbericht.  Auf der Plattform educatieprivata.ro wurde diese Beschwerde um zahlreiche zusätzliche verwaltungstechnische Aspekte seitens der Schule ergänzt. 

Nach den wochenlangen Kontrollmaßnahmen, welche sowohl die Tätigkeit die Lehrerschaft des Kollegs beeinträchtigt haben, als auch aufgrund mangelnder Kommunikation seitens der involvierten Parteien Platz für zahlreiche Vermutungen ließen und somit zur Beeinträchtigung des Images des Kollegs geführt haben (worauf die neue Schulleitung bei deren Vorstellung in der ADZ bereits hingewiesen hatte), scheint ein Großteil der Anschuldigungen durch handfeste Beweise wiederlegt worden zu sein, wobei jedoch tatsächlich zwei Disziplinarverfahren und eine Strafverfolgung im Zusammenhang mit Nachhilfestunden eingeleitet wurden. Außerdem scheinen die Schlussfolgerungen der Überprüfungen nur teilweise mit den ursprünglichen Anschuldigungen übereinzustimmen, wie aus den von Edupedu vorgestellten Berichten ergeht. 

Der vor knapp zwei Monaten übermittelte Unterstützerbrief der Eltern für die Lehrkräfte hatte das Ministerium bis zu diesem Datum offenbar kalt gelassen. 
Ganz im Gegenteil: am Donnerstag setzte der Kontrollausschuss des Bildungsministeriums die Überprüfungen mit derselben Vorgehensweise fort, was die Lehrerschaft dazu bewogen hat, das Präsidialamt selbst anzuschreiben. 

Trotz Anfrage konnte die ADZ keine Stellungnahme durch die für die Schulen der Minderheiten zuständige Inspektorin seitens des Bukarester Schulinspektorats erhalten. 

Was unverständlich bleibt, ist die Tatsache, dass der Kontrollausschuss die Überprüfungen auch trotz all dieser neuen Aspekte unbeirrt und im selben Stil fortführt; dass sich die Lehrerschaft weiterhin gegen die Überprüfungen und die als „demütigend“ beschriebene Einstellung des Kontrollausschusses wehren muss, obwohl das Bildungsministerium die Anschuldigungen bereits abgewiesen hatte. Die Reputation des Goethe-Kollegs als Schule der Minderheiten und eine der einzigen beiden Schulen in Rumänien, in denen die Bundesrepublik Deutschland das deutsche Abiturprogramm durchführt, wird durch solche Skandale sicherlich nachhaltig geschädigt.

Offener Brief des Lehrerkollegiums des Goethe-Kollegs

Sehr geehrter Herr Präsident, Professor Klaus Johannis,
Sehr geehrte Frau Bildungsministerin Ligia Deca,
Sehr geehrte Eltern,

wir, das Kollektiv der Lehrkräfte des Deutschen Goethe-Kollegs Bukarest, möchten über diesen offenen Brief zum Nachdenken einladen. Nach 275 Jahren ununterbrochener, aber stiller Geschichte, geleitet vom Prinzip „Interaktion mit den Schülern und den tagtäglich mit ihnen erlebten Erfahrungen“ ist es umso weniger wichtig, ein Pappkarton-Image aufzubauen, weswegen wir Ihnen heute mit Bescheidenheit unsere Gedanken mitzuteilen versuchen.

Unser Vorgehen ist nicht rachsüchtig, sondern der Ausdruck der Verbitterung einiger Menschen, die ihre Arbeit in der Presse besudelt sehen und deren Hilflosigkeit angesichts einer derart verdrehten Welt, in der es möglich ist, dass nur einige Stimmen sich als Hüter der Wahrheit aufspielen können und eine scheinbare Schuld auf die Schultern der Schule legen können, um den Mangel an Verantwortung zu kompensieren.

Als Verfechter einer für die Schulen der deutschen Minderheit in Rumänien spezifischen Berufsauffassung, die wir seit vielen Generationen verfolgen (wir erwähnten bereits die 275 Jahre lange Geschichte), fühlen wir uns berechtigt, uns infolge der negativen Kampagne, der das deutsche Goethe-Kolleg in den letzten Monaten ausgesetzt war, an Sie zu wenden.

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Schule ein Ort der Bildung und der Aneignung moralischer Werte ist, dass sie sich von solchen Auseinandersetzungen fernhalten sollte, die nichts anderes tun, als die Bildung anzugreifen und das Misstrauen in die Werte der Schulung zu verstärken.
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Schule ein Raum des Professionalismus ist, in dem die formale Erziehung nach anderen Prinzipien erfolgt als diejenige im Elternhaus. Das Schlüsselelement der Erziehung ist die AUTORITÄT des Erziehers. Ohne AUTORITÄT gibt es keine Erziehung in einer Bildungseinrichtung. Ohne die AUTORITÄT des ERZIEHERS bleiben die Spielregeln bloße Absichtserklärungen. Wer baut die AUTORITÄT des LEHRERS auf? Offensichtlich er selbst, durch die Interaktion mit seinen Schülern. Und die Eltern, durch das sogenannte „Fallenlassen des Misstrauens“. Unser Schüler muss dem Fachwissen seines Lehrers vertrauen, was eine Sine-qua-non-Bedingung für den Bildungsakt darstellt. So wie die Eltern geduldig die Beziehung zur Schule aufbauen, so können sie diese auch wieder zerstören, indem sie diejenigen diskreditieren, die im Dienste der Schule stehen.

Wir haben niemals das Syn-drom des gesenkten Kopfes weder bei den Kindern noch bei den Eltern gefördert. Im Gegenteil, die der Schule in jüngerer Vergangenheit beigetretenen Lehrer haben vor allem die Nähe, die Wärme bemerkt, die wir in die Beziehung zu unseren Bildungspartnern einbringen. Jedoch können wir fehlende Maßnahmen, nicht argumentierte Meinungen, nicht begründete Ansprüche auf Allwissenheit, Disziplin- und Respektlosigkeit nicht dulden. 
In den letzten Jahren wurde das Schulleben von verschiedenen Elterntypen geprägt, angefangen mit denjenigen, die sich als Vertreter eines üblicherweise gefühlsmäßig erlernten „Parentings” sehen und die im Namen einer „souveränen Freiheit” jegliche Wünsche des Kindes erfüllen, bis zu den hyperprotektiven, die das Handy in die Schultasche des Kindes legen, obwohl sie wissen, dass es gegen die Regelungen verstößt, bis hin zu den tyrannischen Eltern, für die das Schulleben ein ständiges Rennen nach „Anerkennung” und Bestnoten ist. In allen diesen Fällen, WISSEN ES DIE ELTERN BESSER als der Lehrer, wie die Inhalte den Schülern zu übermitteln sind. Sie beschuldigen ihn der Inkompetenz, verschiedene Informationen manipulierend, drohen, damit „an die Presse zu gehen”, verleumden ohne Schamgefühl, soweit die gültige Gesetzgebung die Schule nicht schützt und die Lehrer immer weniger Rechte haben. Der Anstand der Lehrkraft wird oftmals mit einer Akzeptanz des Missbrauchs verwechselt.

Über diesen offenen Brief appellieren wir an die ausgeglichenen Eltern, die wir uns als Sozialpartner im Bildungsakt wünschen, an die Eltern, die sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sind, die am Wohlergehen ihres Kindes, nicht an der Befriedigung ihres sozialen Egos interessiert sind, die akzeptieren können, dass es unterschiedliche Meinungen geben kann, die auch die Einstellung anderer berücksichtigen, die sich mit dem Lehrer beraten und ihn nicht anklagen, die nicht schweigen, wenn sie sprechen müssen und die, wenn sie etwas zu sagen haben, dieses auch argumentiert, dokumentiert und mit dem nötigen Respekt tun, den sie den Personen, denen sie ihr eigenes Kind anvertraut haben, schulden.

Wir sind keine Schule, die aus institutioneller Trägheit heraus agiert. Wir haben Spezialklassen, in denen nach deutschen Lehrplänen unterrichtet wird, wir haben junge Aushilfslehrer, die hier an den Katheder zurückkehren wollen, wir haben zahllose Absolventen, die in verschiedenen Bereichen Spitzenleistungen erbringen und zurückkehren, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. All diese nachprüfbaren Fakten, die uns im Laufe der Jahre geprägt haben, enthalten mehr Wahrheit als ein paar Zeitungsbeiträge oder Fernsehsendungen.

Wir, als Lehrer, tragen das Stigma, das von den Medien so leicht aufgegriffen wird, nämlich dasjenige der katastrophalen und korrupten staatlichen Bildung. Dieses Etikett haben wir nicht verdient und zwar nur aus der Perspektive heraus, dass wir Dutzende von Generationen betreut haben, die uns überall auf der Welt stolz machen.

Über diesen Brief möchten wir mehr Wahrheit über uns und unsere Überzeugungen ans Licht bringen. Wir wollen nur unsere Arbeit in Frieden fortsetzen und unseren Glauben daran bewahren, dass unsere Werte auch diejenigen der Welt sind. Wir wollen in der Lage sein, unsere Schüler zu schützen, die die Folgen dieses Mangels an Kommunikation, Verständnis und Vertrauen zu spüren bekommen, genau die Menschen, in deren Namen dieses Unterfangen stattfindet.

Das Lehrerkollektiv des Deutschen Goethe-Kollegs Bukarest, bestehend aus 90 Lehrkräften

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