Abriss, Neubauten und eine Überraschung: Großprojekt rund um Ottensens Kult-Kneipe

Abriss, Neubauten und eine Überraschung: Großprojekt rund um Ottensens Kult-Kneipe

Seit 1860 treffen sich in dem Eckhaus im Herzen von Ottensen die Menschen zum Biertrinken und schnacken, seit fast 30 Jahren ist dort das „Aurel“ beheimatet, eine Kneipe, die zuverlässig in jeder „Geheimtipps in Hamburg“-Liste auftaucht. Nun steht ein riesiges Bauprojekt an: Rund um das „Aurel“ werden alte Häuser abgerisssen und neue in den Himmel wachsen, doch das tapfere rot-gelbe Kneipenhäuschen soll erhalten bleiben. Was ein findiger Lebensmittelhändler aus den 30er Jahren und dessen Kinder mit den ambitionierten Plänen von heute zu tun haben, wer in die Neubauten einziehen soll und was der Wirt des „Aurel“ zu all dem sagt? Wir haben uns umgehört und erklären, was konkret gebaut werden soll.

An Sommerabenden kommt es regelmäßig vor, dass Busfahrer entnervt auf der Bahrenfelder Straße stehen bleiben, weil vor dem „Aurel“ wieder so viele Menschen auf dem Kantstein hocken, dass kein Durchkommen ist. Innen begrüßen güldene Wände, Stuck an der hohen Decke und ein beleuchteter Tresen die Gäste. Hier sitzen Nachbarinnen rauchend bei der Weinschorle, Erasmus-Studis palavern laut und die Touris, die von dem „Geheimtipp im quirligen Szeneviertel Ottensen“ gelesen haben, wollen auch noch mit rein.

Das Haus neben dem Aurel, in dem später ein Pennymarkt untergebracht war, beherbergte ab den 1930er Jahren den Lebensmittelladen des Kaufmanns Fritz Fick, ein Modegeschäft und einen Friseursalon
Privat.

Das Haus neben dem Aurel, in dem später ein Pennymarkt untergebracht war, beherbergte ab den 1930er Jahren den Lebensmittelladen des Kaufmanns Fritz Fick, ein Modegeschäft und einen Friseursalon

Blicken wir einmal fast 100 Jahre zurück. „Fritz Fick Lebensmittel“ stand ab den 1930er Jahren über dem kleinen Laden an der Bahrenfelder Straße. Das zweistöckige gelbe Haus mit dem Giebel beherbergte Jahrzehnte später einen Pennymarkt, aber damals drängten sich auf der Fläche der Lebensmittelladen, ein Modegeschäft und ein Friseur.


MOPO

Die neue WochenMOPO – jetzt jeden Freitag am Kiosk!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
– Angst und Ärger bei den Mitarbeitern der Stadtreinigung
– Warum Hamburg die Verteilung von Flüchtlingen nicht gerecht hinbekommt
– Das erschütternde Weltbild eines G20-Polizisten
20 Seiten Sport: Jean-Luc Dompé im exklusiven Interview, St. Pauli-Stürmer Eggestein von A bis Z
28 Seiten Plan7: Die besten Tipps für jeden Tag der Woche

Im Nachbarhaus, das sich heute ein winziger Blumenladen und das „Aurel“ teilen, bewirtete Heinrich Schlesselmann die Gäste in seinem „Frühstücks- und Clublokal“. Sein Name prangt auf einem alten Foto unter der Werbung vom „Elbschloss-Bräu Nienstedten“. Der Arbeiter-Radfahrerbund „Solidarität“ hatte in dem Clublokal eine „Einkehrstelle“, haben Historiker herausgefunden.

Kult-Kneipe Aurel: Grundstück gehört Ottensener Familie

Lebensmittelhändler Fick, ein umtriebiger Geschäftsmann, eröffnete bald weitere Läden in Lübeck und Neumünster und begann, sein Geld in Grundstücke zu investieren. In den 60er Jahren kaufte er das Eckgrundstück im Zentrum von Ottensen, auf dem neben dem gelben Giebelhaus auch das heutige „Aurel“ steht. Heute gehört der Grund seinen fünf Kindern, vier Söhne und eine Tochter, alle über 70 Jahre alt. Die Erbengemeinschaft hat für ihre großen Pläne den Ingenieur Thomas Möller vom Büro P3 als „Bauherrenvertreter“ engagiert.

So soll die Eckbebauung Bahrenfelder Straße – Nöltingstraße ab 2027 aussehen. Die Fassade des Eckhauses mit der Kneipe „Aurel“ soll erhalten bleiben
lrw-Architektur

So soll die Eckbebauung Bahrenfelder Straße – Nöltingstraße ab 2027 aussehen. Die Fassade des Eckhauses mit der Kneipe „Aurel“ soll erhalten bleiben

Mit Elan spricht Möller über das Projekt: „Das ist eine Familie, die seit drei Generationen mit Ottensen verbunden ist“, sagt er: „Die verstehen sich nicht als Investoren, sondern als Bauherren.“ Das Vorhaben: 34 Wohnungen, vom 35-Quadratmeter-Einzimmer-Apartment über die WG-taugliche Vierzimmer-Wohnung bis zum 160 Quadratmeter-Penthouse – allesamt Mietwohnungen, davon 20 Sozialwohnungen für 9,20 Euro den Quadratmeter. Der Bauantrag ist bereits eingereicht, ab Januar 2025 sollen die Abrissarbeiten beginnen, Anfang 2027 soll alles bezugsfertig sein – so der Plan. Die Bauherren investieren ordentlich: die Gesamtsumme liegt bei 20 Millionen Euro, überschlägt Thomas Möller.

Bauprojekt in Ottensen: Wohnfläche verdoppelt sich

Bisher befinden sich in den alten Häusern 17 Wohnungen, zu für Ottensen günstigen Mieten zwischen neun und 14 Euro pro Quadratmeter. Die Gesamtwohnfläche wird sich durch die Neubauten von 1000 auf 2000 Quadratmeter verdoppeln. Parkplätze für Autos: null, für Fahrräder: 122

Aurel-Wirt Stefan Schmitz (li.) und der Vertreter der Bauherren, Thomas Möller
Florain Quandt

Aurel-Wirt Stefan Schmitz (li.) und der Vertreter der Bauherren, Thomas Möller

Die Entwürfe des Ottensener Architekturbüros Loosen Rüschoff Winkler zeigen, wie es am Alma-Wartenberg-Platz einmal aussehen soll: Das niedrige gelbe Giebelhaus, aus dem der Pennymarkt schon vor Jahren ausgezogen ist, wird abgerissen, an seine Stelle tritt ein vierstöckiger Neubau, so hoch wie die Nachbarhäuser. Unten wird ein riesiger, 650-Quadratmeter-Drogeriemarkt einziehen, darüber Wohnungen.

Das angrenzende Aurel-Haus wird komplett entkernt, nur die historische Fassade bleibt erhalten. Um die Ecke herum an der Nöltingstraße entstehen zwei weitere vierstöckige Wohnhäuser, eines bekommt das Penthouse oben drauf. Auf einem der Dächer wird ein Spielplatz für die kleinen Hausbewohner entstehen.

Eine „Ikone des Kompromisses“ nennt Möller das Vorhaben. Denn: Die Eigentümer könnten das „Aurel“ auch platt machen, es steht nicht unter Denkmalschutz. Hinter der historischen Fassade wird die Eckkneipe komplett neu aufgebaut. Unter dem Dach werden zwei Maisonettewohnungen entstehen und unten soll das „Aurel“ wieder einziehen, sogar etwas vergrößert, weil der winzige Blumenladen – wie früher – dem Gastraum zugeschlagen werden soll.

Das könnte Sie auch interessieren: Riesenbank statt Parkplätze – das Trumm von Ottensen

Aurel-Wirt Stefan Schmitz hat nur gute Worte für seine Vermieter: „Wir haben seit fast 30 Jahren ein vertrauensvolles Verhältnis, das ist sehr ungewöhnlich.“ Sein Gewerbemietvertrag wurde immer wieder verlängert, nun läuft er halt aus, das sei in Ordnung: „An der Stelle meiner Vermieter würde ich es genauso machen.“ Das „Aurel“ wird Ende 2024 schließen und Anfang 2027 wiedereröffnen, so der Plan: „Wir werden es so wieder aufbauen, dass man es wieder erkennt“, verspricht Schmitz: „Die Aurel-Atmosphäre bleibt erhalten.“ Solange die Bauzäune stehen, müssen die Partygänger sich allerdings andere Kantsteine zum Draufhocken suchen, die Busfahrer wird’s freuen.

Abriss, Neubauten und eine Überraschung: Großprojekt rund um Ottensens Kult-Kneipe wurde gefunden bei mopo.de

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *