100 Jahre altes UNESCO-Weltkulturerbe: Das Chilehaus und seine dunkle Vorgeschichte

100 Jahre altes UNESCO-Weltkulturerbe: Das Chilehaus und seine dunkle Vorgeschichte

Es ist fraglos das spektakulärste Kontorhaus Hamburgs, vielleicht sogar das schönste der Welt: 100 Jahre Chilehaus feiern wir in diesem Jahr. Von der Architektur wird regelmäßig geschwärmt, aber die Vorgeschichte dieses Gebäudes ist nur selten Thema. Wer war dieser Henry Brarens Sloman, der Bauherr? Wie kam er zu seinem sagenhaften Reichtum? Und woher stammte das Geld, das er in das Haus investierte, das seit 2015 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist?  

Die Antwort lautet: Henry Brarens Sloman war ein Ausbeuter. In der chilenischen Atacamawüste, einer der lebensfeindlichsten Regionen der Welt, ließ er jahrzehntelang Tausende Männer, Frauen und Kinder für sich schuften. Sie bauten Salpeter ab und erwirtschafteten mit ihrem Schweiß und ihrer Hände Arbeit auch die rund zehn Millionen Mark, die der Bau des Chilehauses verschlang.

Henry Brarens Sloman als junger Mann in Chile.
Henry B. Sloman-Archiv

Henry Brarens Sloman als junger Mann in Chile.

Henry Brarens Sloman entstammt einem verarmten Zweig der berühmten Familie

Die Slomans gehören zu den angesehenen Hamburger Patrizier-Familien. Als Begründer der Dynastie gilt der englische Kapitän William Sloman,  der sich 1791 in Hamburg niederließ und ein Schiffsmaklerbüro eröffnete, aus dem Robert Miles Sloman Senior (1783-1867), der Sohn, die größte Reederei der Stadt machte – heute die älteste Deutschlands.

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Henry Brarens Sloman war zwar Teil dieser Familie, allerdings entstammte er einem anderen Zweig, einem ziemlich verarmten. Sein glückloser Vater, ebenfalls Schiffsmakler, verspekulierte sich 1855 derartig, dass er alles verlor und sogar gezwungen war, seine Kinder wegzugeben. Henry Brarens Sloman, der bis dahin im englischen Hull zuhause war, kam als Achtjähriger in die Obhut der Großeltern, die auf dem Hof Kupfermühle in Wohldorf lebten. 

Er wird beschrieben als ein junger Mann, dem es ein großes Bedürfnis war, seinem in Verruf geratenen Zweig der Familie wieder zu Ansehen zu verhelfen. Technisch versiert, wie er war, hätte er gerne ein Ingenieurstudium absolviert, aber der Großonkel, der für seine Erziehung sorgte, hielt nichts von akademischen Weihen und ließ ihn stattdessen eine Schlosserlehre machen.

Als Henry Brarens Sloman als 21-Jähriger aufbrach, um an der Westküste Südamerikas sein Glück zu suchen, waren seine finanziellen Mittel so bescheiden, dass er sich das Geld für die Überfahrt leihen musste. Als er 30 Jahre später nach Hamburg zurückkehrte, verfügte er über ein Vermögen von 60 Millionen Mark und über ein jährliches Einkommen von drei Millionen. Zu verdanken hatte er das einzig und allein dem  Salpeter – und den Männer, Frauen und Kindern, die es für ihn abbauten.

Als Sloman 1869 nach Chile aufbricht, muss er sich das Geld für die Überfahrt leihen, so arm ist er

Im Hafen von Tocopilla: Der Fünfmaster „Preussen“ ist eins er Salpeterschiffe der Hamburger Reederei Laeisz, die das „weiße Gold“ nach Deutschland transportieren.
Henry B. Sloman-Archiv

Im Hafen von Tocopilla: Der Fünfmaster „Preussen“ ist eins er Salpeterschiffe der Hamburger Reederei Laeisz, die das „weiße Gold“ nach Deutschland transportieren.

Salpeter, das „weiße Gold“, hatte Ende des 19. Jahrhunderts eine ähnlich große Bedeutung für die Weltwirtschaft wie heutzutage das Erdöl: Sowohl Düngemittel als auch Sprengstoff wurden aus diesem Natriumsalz hergestellt.  Chile hatte ein weltweites Monopol darauf. 

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Dafür, dass Henry Brarens Sloman es einmal zu großem Reichtum bringen würde, sprach anfangs eigentlich gar nichts. Nach seiner Ankunft in Chile 1869 fing er als Angestellter in der Salpeterfabrik seines Hamburger Jugendfreundes Hermann Conrad Fölsch und dessen Geschäftspartners Frederico Martin an. Eigenkapital, um eine eigene Firma zu eröffnen, hatte er nicht. 20 Jahre lang arbeitete er stattdessen als Geschäftsführer.

1892 fasste er dann den Entschluss, sich selbstständig zu machen. Mit einem Kredit – der Zinssatz soll 22 Prozent betragen haben – kaufte er im Hinterland von Tocopilla Rohstofffelder und gründete mitten in der Wüste seine erste eigene Salpeterfabrik. „Buena Esperanza“ hieß sie. „Gute Hoffnung.“ Freunde hatten ihn gewarnt – risikolos war dieser Schritt nicht. Aber Slomans Mut machte sich bezahlt. Bald darauf gründete er vier weitere Salpeterfabriken: „Rica Aventura“ (Reichhaltiges Abenteurer), „Prosperidad“ (Wohlstand), „Grutas“ (Grotten) und „Empresa“ (Unternehmen).

Sloman wird steinreich: Seine Salpeterfabriken sind kleine Städte mitten in der Wüste

Henry B. Sloman-Archiv
Henry Brarens Sloman baut mitten in der Wüste diesen Staudamm, um seine Salpeterwerke mit Strom zu versorgen. Am Ufer des Stausees wachsen zunächst noch keine Pflanzen. Erst im Lauf der Zeit bildet sich dort neues Grün.

Henry Brarens Sloman baut mitten in der Wüste diesen Staudamm, um seine Salpeterwerke mit Strom zu versorgen. Am Ufer des Stausees wachsen zunächst noch keine Pflanzen. Erst im Lauf der Zeit bildet sich dort neues Grün.

Henry B. Sloman-Archiv
In der Wüste wird der sogenannte Caliche, eine salpeterhaltige Gesteinsschicht, gesprengt in Handarbeit in ungefähr gleichgroße Brocken geschlagen, in Maultierkarren verladen und zu einer der Eisenbahnlinien transportiert.

In der Wüste wird der sogenannte Caliche, eine salpeterhaltige Gesteinsschicht, gesprengt in Handarbeit in ungefähr gleichgroße Brocken geschlagen, in Maultierkarren verladen und zu einer der Eisenbahnlinien transportiert.

Henry B. Sloman-Archiv
Im Salpeterwerk wird das Gestein zermahlen und in heißer Flüssigkeit ausgelaugt, um den Salpeter zu extrahieren. Auch andere wertvolle Inhaltsstoffe wurden isoliert, wie z.B. Jod.

Im Salpeterwerk wird das Gestein zermahlen und in heißer Flüssigkeit ausgelaugt, um den Salpeter zu extrahieren. Auch andere wertvolle Inhaltsstoffe wurden isoliert, wie z.B. Jod.

Henry B. Sloman-Archiv
Der Staudamm „Tranque Sloman“ am Río Loa ist fertiggestellt und der Stausee dahinter hat sich gefüllt. Das erste Wasser fließt am Überlauf und überspült die Reste der Baustelle. Mit Hilfe des Staudamms versorgt Sloman seine Salpeterfabriken mit Energie.

Der Staudamm „Tranque Sloman“ am Río Loa ist fertiggestellt und der Stausee dahinter hat sich gefüllt. Das erste Wasser fließt am Überlauf und überspült die Reste der Baustelle. Mit Hilfe des Staudamms versorgt Sloman seine Salpeterfabriken mit Energie.

Henry B. Sloman-Archiv
Im Hafen von Tocopilla: Der Fünfmaster „Preussen“ ist eins er Salpeterschiffe der Hamburger Reederei Laeisz, die das „weiße Gold“ nach Deutschland transportieren.

Im Hafen von Tocopilla: Der Fünfmaster „Preussen“ ist eins er Salpeterschiffe der Hamburger Reederei Laeisz, die das „weiße Gold“ nach Deutschland transportieren.

Henry B. Sloman-Archiv
Kapitän, Steuermann und möglicherweise auch einige Passagiere der des Hamburger Flying P-Liners „Preussen“ posieren für den Fotografen, bevor das Schiff beladen mit dem „weißen Gold“ nach Hamburg aufbricht.

Kapitän, Steuermann und möglicherweise auch einige Passagiere der des Hamburger Flying P-Liners „Preussen“ posieren für den Fotografen, bevor das Schiff beladen mit dem „weißen Gold“ nach Hamburg aufbricht.

Henry B. Sloman-Archiv
Alles, was in den Salpeterwerken gebraucht wird, muss dahin transportiert werden: auch sämtliche Nahrungsmittel – zumeist in Dosen – sowie Bier und Wein und ebenso „Frischfleisch“.

Alles, was in den Salpeterwerken gebraucht wird, muss dahin transportiert werden: auch sämtliche Nahrungsmittel – zumeist in Dosen – sowie Bier und Wein und ebenso „Frischfleisch“.

Henry B. Sloman-Archiv
Die Schule in Slomans Oficina „Rica Aventura“. An der Tafel steht auf Deutsch: „Den Mutigen gehört die Welt.“

Die Schule in Slomans Oficina „Rica Aventura“. An der Tafel steht auf Deutsch: „Den Mutigen gehört die Welt.“

Henry B. Sloman-Archiv
Eine Aufnahme aus Henry Brarens Slomans Salpeterwerk „Rica Aventura“: Es gibt auch Kirchen. Hier findet gerade die Prozession „Virgen del Carmen“ statt.

Eine Aufnahme aus Henry Brarens Slomans Salpeterwerk „Rica Aventura“: Es gibt auch Kirchen. Hier findet gerade die Prozession „Virgen del Carmen“ statt.

Bei jedem dieser Werke handelte es sich um eine kleine Stadt mitten in der Wüste – mit Häuserblocks für jeweils rund 2000 Einwohner, aber auch mit Schulen, Hospitälern, Läden, Theatern und Kirchen. Um die Strom- und Wasserversorgung  sicherzustellen, ließ Sloman einen 38 Meter hohen und 100 Meter breiten Damm errichten und staute den Río Loa auf, einen Fluss, der mitten durch die Wüste führt. 

Wie der Salpeterabbau funktionierte? Zuerst mussten Arbeiter draußen in der Pampa das salpeterhaltige Gestein, den sogenannten Caliche, sprengen. Die Brocken transportierten sie mit Maultierkarren oder Eisenbahnwaggons in die Fabriken, wo sie zerkleinert wurden. Mit Wasserdampf oder heißer Lauge lösten Arbeiter schließlich die begehrten Salpetersalze heraus.

Übrig blieb ein weißes Pulver, das sie in Säcke verpackten und im Hafen von Tocopilla auf Schiffe verluden  – beispielsweise auf die berühmten Flying P-Liner der Hamburger Reederei F. Laeisz, die „Peking“, die „Passat“ oder die „Preussen“, die auf Salpeterfahrten spezialisiert waren.

Die Arbeitsbedingungen in den Salpeterfabriken sind mörderisch

Arbeiter in Henry Brarens Slomans Salpeterfabriken in der chilenischen Atacamawüste. Mit heißer Flüssigkeit wird der Salpeter aus dem Gestein gelöst. Danach schaufeln Arbeiter den Abraum aus den Becken.
Henry B. Sloman-Archiv

Arbeiter in Henry Brarens Slomans Salpeterfabriken in der chilenischen Atacamawüste. Mit heißer Flüssigkeit wird der Salpeter aus dem Gestein gelöst. Danach schaufeln Arbeiter den Abraum aus den Becken.

Die Arbeitsbedingungen der überwiegend indigenen Tagelöhner waren äußerst hart. Die Arbeiter  – darunter sogar achtjährige Kinder – atmeten den giftigen Salpeterstaub ein und litten unter extremen Temperaturschwankungen in der Wüste. Chilenische Historiker räumen ein, dass es in den Werken anderer Salpeterbarone noch schlimmer zugegangen sei. Aber auch Sloman sei ein Ausbeuter gewesen – denn, so wie seine Konkurrenten, bezahlte er seine Arbeitskräfte nicht mit echtem Geld, sondern mit sogenannten Fichas: einem Kunstgeld, das als Zahlungsmittel nur in den überteuerten Geschäften der eigenen Minengesellschaft Gültigkeit besaß.

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Die Ausbeutung der Arbeiter durch die Salpeterunternehmen war so groß, dass es zu Aufständen kam. Die chilenische Regierung schickte Soldaten, um die Proteste niederzuschlagen: 1907 schoss das Militär Hunderte streikende Männer, Frauen und Kinder über den Haufen – einige Quellen sprechen sogar von 3600 Opfern. Als „Massaker von Iquique“ ist dieses Ereignis in die Geschichte Chiles eingegangen.

Die Salpeterbarone häuften unvorstellbare Reichtümer an. Zwischen 1870 und 1900 machten allein die drei Hamburger Unternehmen Fölsch & Martin, Gildemeister und Sloman mehrere Milliarden Mark Gewinn. Um die Jahrhundertwende produzierten sie ein Viertel des gesamten Salpeteraufkommens. Der Hamburger Hafen wurde zum wichtigsten europäischen Umschlagplatz des „weißen Goldes“.

Die Salpeterbarone häufen dank des „weißen Goldes“ unvorstellbare Reichtümer an

Nach rund 30 Jahren in der Wüste verließ der inzwischen steinreiche Henry Brarens Sloman 1898 Chile und kehrte in die Heimat zurück. Extra für ihn erließ Hamburg ein Gesetz, das Rückwanderer für eine begrenzte Zeit von der Einkommensteuerpflicht befreite: Hinter vorgehaltener Hand sprachen Zeitgenossen verächtlich von der „Lex Sloman“. Der Unternehmer musste von seinem Vermögen also keinen Pfennig abgeben.

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Das in den 1860er Jahren im Florentiner Stil erbaute Stadthaus der Familie Sloman: Badestraße 30, Rotherbaum.
Olaf Wunder

Das in den 1860er Jahren im Florentiner Stil erbaute Stadthaus der Familie Sloman: Badestraße 30, Rotherbaum.

Umso freigiebiger ging Sloman auf Einkaufstour: Vor allem Immobilien interessierten ihn. 1909 erwarb er das im Florentiner Stil erbaute Haus Badestraße 30 (Rotherbaum), ein prächtiges Palais, das auch heute noch Bewunderung hervorruft.  Da Sloman das Stadtleben nicht mochte, schuf er sich einen Landsitz: Ein ehemaliges Rittergut in der Nähe von Zehna in Mecklenburg ließ er abreißen und 1912 durch das Jagdschloss Bellin ersetzen.

Slomans größtes Projekt in seiner Zeit in Hamburg war fraglos das Chilehaus: Als 1921 die Stadt Hamburg Grundstücke im Gebiet des Gängeviertels der Altstadt versteigerte, erwarb Sloman ein Areal von 5500 Quadratmetern zwischen Niedernstraße und Meßberg. Dort, wo sich zuvor 69 mittelalterliche Fachwerkhäuser befunden hatten, entstand das prächtige Kontorgebäude, in das Slomans Firmen, darunter eine Bank, einzogen.  

Für das Chilehaus wurden 20.000 Kubikmeter Erde ausgehoben, zur Stabilisierung des Fundaments 18.000 Betonpfähle in den Boden gerammt, 750 Güterwagen Zement, 30.000 Kubikmeter Kies und fast fünf Millionen Ziegelsteine herbeigeschafft. Das größte Geschäftshaus Deutschlands wurde am 1. April 1924 eingeweiht. Ein sensationelles Bauwerk, das weltweit große Beachtung fand und heute noch zu den Lieblings-Fotomotiven von Hamburg-Touristen zählt.

Der Bau des Chilehauses von 1922 bis 1924 kostet Sloman rund zehn Millionen Mark

MOPO-Archiv
Eins der meistfotografieren Gebäude Hamburg und wahrscheinlich das spektakulärste Kontorhaus der Welt: das Chilehaus.

Eins der meistfotografieren Gebäude Hamburg und wahrscheinlich das spektakulärste Kontorhaus der Welt: das Chilehaus.

Staatsarchiv Hamburg
Für den Bau des Chilehauses müssen 20.000 Kubikmeter Erde ausgehoben, zur Stabilisierung des Fundaments 18.000 Betonpfähle in den Boden gerammt, 750 Güterwaggons Zement, 30.000 Kubikmeter Kies und fast fünf Millionen Ziegelsteine herbeigeschafft werden.

Für den Bau des Chilehauses müssen 20.000 Kubikmeter Erde ausgehoben, zur Stabilisierung des Fundaments 18.000 Betonpfähle in den Boden gerammt, 750 Güterwaggons Zement, 30.000 Kubikmeter Kies und fast fünf Millionen Ziegelsteine herbeigeschafft werden.

Staatsarchiv Hamburg
Arbeiter auf der Baustelle des Chilehauses. Ein Foto vom 1. November 1922.

Arbeiter auf der Baustelle des Chilehauses. Ein Foto vom 1. November 1922.

Staatsarchiv Hamburg
Ein Blick auf die Baustelle des Chilehaues. Aufnahme vom März 1923. Noch ein Jahr bis zur Fertigstellung. Im Hintergrund die Jacobikirche.

Ein Blick auf die Baustelle des Chilehaues. Aufnahme vom März 1923. Noch ein Jahr bis zur Fertigstellung. Im Hintergrund die Jacobikirche.

Staatsarchiv Hamburg
Wo sich zuvor ein Teil des altstädtischen Gängeviertels befindet, wird ab 1922 das Chilehaus erbaut. Unser Foto zeigt das Grundstück, auf dem das Kontorhaus erbaut wird. Vorher haben sich auf dem Areal 69 Fachwerkgebäude befunden, die alles abgerissen wurden.

Wo sich zuvor ein Teil des altstädtischen Gängeviertels befindet, wird ab 1922 das Chilehaus erbaut. Unser Foto zeigt das Grundstück, auf dem das Kontorhaus erbaut wird. Vorher haben sich auf dem Areal 69 Fachwerkgebäude befunden, die alles abgerissen wurden.

Staatsarchiv Hamburg
Fritz Höger ist der Architekt des Chilehauses.

Fritz Höger ist der Architekt des Chilehauses.

dpa
Diese Collage zeigt verschiedene Details und Ansichten von den Gebäuden „Chilehaus“ und „Sprinkenhof“ im Kontorhausviertel in Hamburg

Diese Collage zeigt verschiedene Details und Ansichten von den Gebäuden „Chilehaus“ und „Sprinkenhof“ im Kontorhausviertel in Hamburg

„Slomanhaus“ – ursprünglich war dieser Name für das Gebäude vorgesehen. Aber da ein Haus mit dieser Bezeichnung bereits existierte – der Sitz der Reederei –  benannte Henry Brarens Sloman es nach dem Land, dem er seinen Reichtum verdankte. Wer genau hinschaut, findet an der Fassade viele Details, die an Chile erinnern: das Staatswappen beispielsweise. Oder den Andenkondor, der an der Spitze des Gebäudes prangt wie eine Galionsfigur.

Etwa zur selben Zeit, als das Chilehaus fertiggestellt war, brach der weltweite Markt für Chile-Salpeter zusammen, denn dem Chemieunternehmen BASF war es  gelungen, Stickstoffdünger synthetisch herzustellen. Als die wichtigen Einnahmen aus der Exportsteuer für Salpeter wegfielen, geriet der Staatshaushalt Chiles  aus den Fugen. Eine Staatspleite war die Folge.

Henry B. Sloman aber kam mit einem blauen Auge davon. Chile enteignete zwar 1930 das Sloman‘sche Salpeterimperium, was ihn sehr betrübte, aber zu diesem Zeitpunkt hatte der Unternehmer den Großteil seiner Profite längst nach Europa transferiert und in neue Geschäfte investiert – insbesondere in Brasilien engagierte er sich nun.

In Mecklenburg-Vorpommern baut sich Sloman ein eigenes Jagdschloss – heute ein Luxushotel

Jagdschloss Bellin in Mecklenburg-Vorpommern: Der Landsitz des schwerreichen Unternehmens Henry Brarens Sloman. Heute betreibt die Familie Sloman dort ein Hotel.
Henry B. Sloman-Archiv

Jagdschloss Bellin in Mecklenburg-Vorpommern: Der Landsitz des schwerreichen Unternehmens Henry Brarens Sloman. Heute betreibt die Familie Sloman dort ein Hotel.

Henry Brarens Sloman, der reichste Mann Hamburgs, stirbt 1931 an einem Magenleiden

1931 verschlimmerte sich das Magenleiden, mit dem sich Sloman schon länger herumgeschlagen hatte. Er unterzog sich einer Operation, von deren Folgen er sich nicht mehr erholte. Am 29. Oktober 1931 starb er 83-jährig und wurde in einem Mausoleum auf dem Gelände seines Jagdschlosses Bellin an der Seite seiner bereits zwei Jahre zuvor verschiedenen Frau und seiner früh verstorbenen Tochter bestattet.

Sowjetische Soldaten schändeten das Mausoleum 1945. Sie verstreuten die sterblichen Überreste in der Umgebung und richteten im Grabmal eine Tankstelle ein. Später machte die DDR aus dem Schloss erst eine Verwaltungsfachschule, später eine Bezirksparteischule.

1990 kauften Mitglieder der Familie Sloman das Anwesen zurück. Sie betreiben dort heute ein Luxushotel (www.jagdschloss-bellin.de).

Henry Brarens Sloman: Eine Aufnahme aus dem Jahr 1928.
Henry B. Sloman-Archiv

Henry Brarens Sloman: Eine Aufnahme aus dem Jahr 1928.

Von den einstigen Salpeterfabriken in der Atacamawüste sind nur noch Geisterstädte übrig: Häuser, Fabrikanlagen, Eisenbahnen und Friedhöfe, die langsam, aber sicher verfallen. Nach wie vor existiert der Sloman-Damm, der riesige Stausee und das dazugehörige Kraftwerk, die Henry Brarens Sloman errichten ließ. Sie sind Nationaldenkmäler Chiles – und erinnern an die Zeit, als die Europäer gnadenlos die Rohstoffe Südamerikas zu ihrem Nutzen ausbeuteten.

100 Jahre Chilehaus: Vorträge, Bücher Ausstellungen

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Chilehauses erscheint ein toller Bildband, außerdem gibt es eine Reihe von Ausstellungen und Vorträgen:

Im April 1924, also vor genau 100 Jahren, wurde es eingeweiht: das Chilehaus, das seit 2015 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Bauherr des Chilehauses ist Henry Brarens Sloman, der mit Chilesalpeter ein Vermögen verdiente. Die MOPO erzählt seine Geschichte.
Staatsarchiv Hamburg

Im April 1924, also vor genau 100 Jahren, wurde es eingeweiht: das Chilehaus, das seit 2015 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Bauherr des Chilehauses ist Henry Brarens Sloman, der mit Chilesalpeter ein Vermögen verdiente. Die MOPO erzählt seine Geschichte.

Die „Chilehaus-Saga“ ist der Titel eines Bildbandes, den der Koehler-Verlag im Mai rausbringt: Irmelin Sloman präsentiert darin den bisher unveröffentlichten Nachlass ihres Urgroßvaters Henry Brarens Sloman: alte Negative, Fotos, Dokumente und Filme, die viele Jahre verschollen waren und in einer alten Scheune auf ihre Entdeckung warteten. Ein sensationeller Schatz. (Preis: 29,95 Euro).

Irmelin Sloman wird gemeinsam mit dem Historiker Joachim Paschen am 7. April einen „Vortrag in Bild, Film, Lied und Wort“ zum 100-jährigen Jubiläum des Chilehauses halten – Ort: Magazin Filmkunst & Kultur in Winterhude, Fiefstücken, Ecke Efeuweg, Zeit: 15 Uhr.

„Weißes Wüstengold. Chile-Salpeter und Hamburg“ ist der Titel einer Ausstellung, die ab dem 23. Mai im MARKK, Museum am Rothenbaum, Rothenbaumchaussee  64, zu sehen sein wird.

„Unbequeme Erinnerungen – auf den Spuren des Salpeterhandels in Chile und Deutschland“ ist der Titel einer Werkstatt-Projektausstellung, die am 4. Juni im Deutschen Hafenmuseum, Schuppen 50 A, Australiastraße, eröffnet wird.

100 Jahre altes UNESCO-Weltkulturerbe: Das Chilehaus und seine dunkle Vorgeschichte wurde gefunden bei mopo.de

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