Der Köhlbrand-Eklat: Der grüne Raufbold, die düpierte SPD-Chefin und ein Happy End

Der Köhlbrand-Eklat: Der grüne Raufbold, die düpierte SPD-Chefin und ein Happy End

Nein, sie sei „nicht verärgert“, wiegelte Wirtschaftssenatorin und SPD-Landeschefin Melanie Leonhard vergangenen Dienstag ab, doch blickte sie dabei in die NDR-Kamera, als hätte man ihr gerade ein Glas saure Milch eingeflößt. Zuvor hatte es einen in der Geschichte des Senats einmaligen Vorgang gegeben. Anderthalb Stunden bevor auf der Landespressekonferenz (LPK) die Senatsentscheidung zur Neuplanung der Köhlbrandbrücke bekannt gegeben werden sollte, wurde diese abgesagt. Das neue „Jahrhundertbauwerk“ war zuvor auch im Senat entgegen vorherigen Ankündigungen nicht behandelt worden.

Der Grund für den Eklat: Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan hatte weiteren Klärungsbedarf über die Beschlussvorlage aus der Wirtschaftsbehörde angemeldet. Ihm sei es „wichtig, eine Drucksache, die ein milliardenschweres Projekt beinhaltet, in Ruhe prüfen und offene Fragen erläutern zu können“. „Typisch Kerstan!“, kommentierten namhafte Sozialdemokraten die „Ruckeleien auf den letzten Metern“ (Leonhard) hinter vorgehaltener Hand und warfen dem Senator eine „Blockadepolitik“ vor.

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Schon in der Vergangenheit hatte der Grüne sich gerne mal als politischer Raufbold inszeniert, der sich auch öffentlich mit der Wirtschaftsbehörde oder dem Bürgermeister anlegt, um grüne Kante zu zeigen. So waren nach SPD-Lesart – die die Medien aufgriffen – die Rollen klar verteilt: Die Grünen hatten wieder mal ihre ganze Wirtschaftsfeindlichkeit bewiesen und Kerstan sich erneut als Profilneurotiker entlarvt.

Umweltbehörde hatte wenig Zeit für eine Stellungnahme

Doch Jens Kerstan hat für seine Blockade auch ein paar gute Gründe und die Geschäftsordnung des Senats auf seiner Seite. Erst am Freitagabend des 8. März hatte die Umweltbehörde die eng bedruckte 29-seitige Entscheidungsvorlage für den Brückenneubau erhalten und statt der vorgeschriebenen Zehn-Werktage-Frist zur Stellungnahme nur eine Fünf-Tage-Frist – bis zum 15. März eingeräumt bekommen. Die von der Umweltbehörde beantragte Fristverlängerung wurde nicht gewährt, viele Detail-Fragen blieben aus ihrer Sicht unbeantwortet.

MOPO-Kolumnist Marco Carini.
Florian Quandt

MOPO-Kolumnist Marco Carini.

Offen blieb etwa, ob Alternativen zu der nun von der Wirtschaftsbehörde präferierten „Vorzugsvariante“ eines 73,5 Meter hohen Brückenbauwerks weiter geprüft werden. Wird die neue Brücke 20 Meter höher als die alte, was viel Geld kostet, passen auch die größten Containerriesen problemlos darunter hindurch. Allerdings hat Hapag-Lloyd als Hauptnutzer des hinter der Brücke liegenden Containerterminals Altenwerder signalisiert, Hamburgs Hafen perspektivisch nur noch mit kleinen Feederschiffen anzulaufen – was die Notwendigkeit eines Brücken-Wolkenkratzers infrage stellt.

Würde der Bund eine neue Köhlbrand-Überquerung mitfinanzieren?

Unklar ist auch, ob die Finanzierung des inzwischen rund fünf Milliarden teuren Brückenneubaus auch nur annähernd gesichert ist. Es gibt gute Gründe zu bezweifeln, dass der chronisch klamme Bund sowohl die geplante und von den Grünen abgelehnte Hafenautobahn A26-Ost, die für den Wirtschaftsverkehr keine tragende Rolle spielt, als auch noch die neue Köhlbrand-Überquerung auskömmlich mitfinanziert.

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Nach ihrer Stellungnahme vom 21. März und einem Telefonat zwischen Leonhard und Kerstan in der vergangenen Woche war aus Sicht der Umweltbehörde klar, dass die Köhlbrand-Drucksache der Wirtschaftsbehörde nicht „streitfrei“ zwischen den Behörden ist. Trotzdem wurde ihre Befassung nicht – wie sonst üblich – einfach vertagt, bis alle Punkte einvernehmlich geklärt sind. „Wir hatten keine Rückmeldung von der Umweltbehörde, dass ihre fachlichen Bedenken nicht ausgeräumt wurden und eine Zustimmung von ihr verweigert werden könnte“, heißt es aus der Wirtschaftsbehörde.

Happy End steht unmittelbar bevor

So sollte die Köhlbrandbrücken-Entscheidung auf die Tagesordnung der Senatssitzung und der LPK, bis Kerstan die Notbremse zog und sein Veto einlegte. „Dass die LPK so kurzfristig abgesagt wurde, ist mir ein Rätsel, da ich schon am Freitag und über das gesamte vergangene Wochenende hinweg klargestellt habe, dass wir so nicht zustimmen würden“, wundert sich der Umweltsenator noch heute.

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) (Archivbild)
Patrick Sun

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) (Archivbild)

Nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, setzten sich nun Wirtschafts- und Umweltbehörde zusammen und überarbeiteten die Köhlbrand-Drucksache noch einmal leicht. Während die Umweltbehörde mit dem aktuellen Papier nun zumindest so zufrieden ist, dass sie zustimmen will, heißt es aus der Wirtschaftsbehörde, man habe „inhaltlich praktisch nichts verändert“. Das Happy End des Behörden-Machtkampfs aber steht unmittelbar bevor: Kommenden Dienstag wird die Brücken-Planung erneut auf der Tagesordnung des Senats stehen und diesmal wohl einvernehmlich durchgewinkt werden.

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