„Er kam in sein Eigentum“

„Und die Seinen nahmen ihn nicht auf“, schreibt der Evangelist Johannes, um dann nahtlos fortzufahren: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ Diese zweigleisige Wirklichkeit zeigt sich sowohl bei der Geburt des Gottessohnes als auch bei seiner Darstellung im Tempel: In Bethlehem war kein Platz für ihn in der Herberge, aber es kamen die Hirten, um ihn zu preisen. In Jerusalem wusste man von der Ankunft des Christus, aber die Priester und Schriftgelehrten reagierten nicht. Dafür kamen Weise aus dem Morgenland, um anzubeten. Und bei Jesu Darstellung im Tempel waren es allein Simeon und Hanna, die den Heiland gebührend empfingen.

Es ist so, dass Gott sich immer wieder einigen wenigen Menschen – oft ist es anfänglich ein Einzelner –  in besonderer Weise offenbart, und dass diese Begnadeten dann den erkannten Willen Gottes ihren Nächsten in überzeugender Weise mitteilen, so dass die Schar der Gläubigen stetig wächst. Durch Ausübung werden die empfangenen Weisungen Gottes bald zum Programm und das führt zur Bildung eines Systems, einer Institution. Anfänglich hilfreich, konzentriert sich die Institution auf das Programm und wird zunehmend blind für das Wirken des lebendigen Gottes. Dann weckt Gott den Geist am Rande stehender Eiferer und beginnt von Neuem. Sein „Eigentum“, die Institution, bleibt in der Regel abseits liegen.

Bei Jesu Eintritt in die Welt erleben wir mustergültig, wie „die Seinen“, also die Israeliten, von  den Bewohnern Bethlehems über die Hohenpriester und Schriftgelehrten bis hin zum König Herodes, ihn ignorieren oder als Störfaktor ablehnen. Bei seinem Erscheinen im Tempel hätten Priester und Leviten jubilieren müssen und danach trachten, mit ihren Lobgesängen den Chor der Cherubim und Seraphim auf dem nächtlichen Weideland zu übertreffen. Aber sie taten es nicht. Stattdessen lief normales Programm: eine junge Mutter mit ihrem Sohn kommt vierzig Tage nach dessen Geburt, um das Gesetz des Mose zu erfüllen. Die Institution ist nicht beeindruckt. Aber der Geist Gottes arbeitete; er sammelte sich sein Volk.

Der greise Simeon und die hochbetagte Hanna gehören zum Grundstock der Christenheit. Sie waren erfüllt vom Heiligen Geist und wach für Gottes Walten. Von Simeon heisst es, er sei einer der siebzig Übersetzer der Septuaginta gewesen, der trotz seiner Frömmigkeit das Jesajawort von der Jungfrauengeburt nicht glauben konnte, und dem daraufhin ein Engel verkündet hatte, er werde nicht sterben, bis er die Erfüllung jenes Wortes gesehen hätte. Als er den Knaben Jesus auf seine Arme nahm, war er 360 Jahre alt. Die Prophetin Hanna hatte ein Gott geweihtes Leben hinter sich.  Ihre Leistungen waren: Kein Sex vor der Ehe und keine weitere Beziehung nach dem Tod ihres Mannes. Dazu Beten und Fasten Tag und Nacht.

Im Geiste sieht Simeon die Gestalt des Heilands in seiner vollen Größe und Bedeutung: Ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preise Israels, des Volkes Gottes. Ja, die Krönung Israels ist Jesus Christus, in dem gesegnet werden alle Völker, wie Gott es Abraham verheißen hatte. Aber nicht alle werden sich unter diesen Segen stellen und sich durch ihn aufrichten lassen, viele werden dem Evangelium widersprechen und zu Fall kommen. Die Treuen wird der Unglaube der Gottlosen ins Herz stechen, wenn die ihre Heuchelei ablegen und offen auftreten. Jesu Eltern wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde und erteilen so auch uns eine Lizenz dafür, gültig aber nur im Beisein eines beständigen Glaubens. Amen.
 

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