Ukraine-Krieg: Putin ist nach Terror in Moskau in der Zange

Ukraine-Krieg: Putin ist nach Terror in Moskau in der Zange

Nach dem Terroranschlag in Moskau muss Wladimir Putin an einer weiteren Front kämpfen. Die Ukraine könnte das gegenwärtige Chaos in Russland nutzen, um sich im Krieg Luft zu verschaffen. Nun also doch. Wladimir Putin verkündet, dass Islamisten für die Terrorattacke in Moskau mit mindestens 139 Todesopfern verantwortlich sind. “Wir wissen, dass das Verbrechen von radikalen Islamisten begangen wurde”, erklärt der russische Präsident am Montagabend. Drei Tage hatte Putin den islamistischen Tathintergrund zurückgehalten und stattdessen den Verdacht in Richtung der Ukraine gelenkt. Und an diesem Narrativ wird die russische Führung auch weiterhin festhalten. Putin möchte laut eigener Darstellung nun wissen, wer der Auftraggeber dieses terroristischen Angriffs ist. Es gibt keinerlei Indizien dafür, dass die Islamisten oder gar die Terrormiliz IS von einer anderen Macht beauftragt wurden. Trotzdem nutzt der Kreml das Misstrauen und den Hass gegenüber dem Westen und der Ukraine, den die russische Propaganda seit vielen Jahren in der russischen Gesellschaft befeuert. Das allerdings sind lediglich Nebelkerzen. Die russische Führung sieht sich gegenwärtig mit enormen Problemen konfrontiert. Einerseits muss Putin auf den Terror reagieren, denn der Angriff auf die Crocus City Hall dokumentiert auch das Versagen seines Sicherheitsapparates. Andererseits kann sich Russland einen umfassenden Krieg gegen den Terror nicht leisten, denn es bleibt Putins oberste Priorität, seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu gewinnen. Die ukrainische Armee könnte dagegen vom Chaos in Russland profitieren und sich Zeit und Luft verschaffen. Dem Kreml drohen nun Kämpfe an vielen Fronten. Kreml hält an Feindbild fest Fest steht: Noch bevor die Flammen der Crocus City Hall in Moskau am Samstag gelöscht waren, stand der terroristische Anschlag schon im Schatten der Kreml-Propaganda. Es geht nicht wirklich darum, die wahren Täter und deren Hintergründe zu identifizieren, sondern das alles wird den machtpolitischen Zielen des russischen Präsidenten untergeordnet. In erster Linie geht es Putin darum, Chaos und Instabilität in Russland zu vermeiden. Es ein großes multiethnisches Land, das von ihrem Präsidenten in einen Kriegszustand versetzt wurde. In Russland selbst leben bis zu 20 Millionen Muslime und es ist im Interesse Putins, dass die russische Gesellschaft nicht weiter gespalten wird. Schon jetzt gibt es Berichte darüber, dass Russinnen und Russen in Moskau nicht mehr von Taxifahrern mit muslimischem Migrationshintergrund befördert werden möchten. Dem will der Kreml einen Riegel vorschieben. Putins Botschaft: Der Feind kommt von außen. Es sind angebliche Nazis in der Ukraine, die vom Westen unterstützt werden und zur Terrorgefahr für Russland werden. Damit möchte der Kreml die eigenen Reihen gegen den äußeren Feind schließen, denn immerhin sterben Christen und Muslime gemeinsam für Putins Sache an der Front in der Ukraine. Zwischen der Ukraine und dem islamistischen Terror in Russland gibt es keine Verbindungen, aber viele Russinnen und Russen glauben das. Denn sie bekommen täglich von der russischen Propaganda erzählt, dass sie vom kollektiven Westen als Feind gesehen werden. Versagen russischer Sicherheitsorgane Damit versucht der Kreml-Chef außerdem, sein eigenes Versagen zu kaschieren. Wenige Tage vor dem Terroranschlag hatte er noch den Versuch der Amerikaner, Russland vor einer Terrorattacke zu warnen, abgetan. Die USA würden versuchen, Chaos zu stiften und das Land zu destabilisieren, hatte Putin erklärt. Diese Aussagen sind im Angesicht des Terroranschlags nicht nur schlecht gealtert, sie sind peinlich für Putin. Vor allem auch, weil die Amerikaner diese Warnung auf die Seite ihrer Botschaft in Russland veröffentlichten – vor der Tat. Wenn die russische Führung nun öffentlich über eine mögliche Verstrickung der Ukraine und des Westens in den Terror philosophiert, soll das auch erklären, warum westliche Staaten davor gewarnt haben. Putin biegt sich aus der Schusslinie. In Russland läuft demnach eine weitere große Desinformationskampagne gegen die eigene Bevölkerung. Bis das öffentliche Interesse langsam nachlässt, soll die Bevölkerung so lange mit Anschuldigungen und Verdächtigungen konfrontiert werden, bis sie dann am Ende wieder ihre Wut auf das Ziel richtet, das Putin vorgibt: die Ukraine und den Westen. Denn in Putins Spielbuch für das Jahr 2024 passt keine Auseinandersetzung mit dem Terror. In der ersten Jahreshälfte möchte er seine Macht festigen, mit seinem Wahlsieg und mit einer groß zelebrierten Amtseinführung im Mai. Gleichzeitig hofft er auf Zugewinne rechtsextremer Parteien bei der Europawahl im Juni und auf einen Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Wahl im November, um in der zweiten Jahreshälfte Kurs auf einen Kriegssieg in der Ukraine zu nehmen. Doch der Terror gefährdet nun Putins Ziele. Ukraine könnte profitieren Der Ukraine-Krieg war zwar für viele Russinnen und Russen in den vergangenen Jahren stets präsent, aber etwa für die Bevölkerung in Moskau war es weitestgehend möglich, in ihrem alltäglichen Leben nicht mit den Folgen des Krieges konfrontiert zu werden. Der Kreml versuchte stets, genau diesen Krieg von der eigenen Bevölkerung fernzuhalten. Auch deshalb waren die Sicherheitsvorkehrungen in der russischen Hauptstadt gering – trotz des Krieges. Putin hat die potenzielle Gefahr des Terrors bewusst ignoriert. Doch wie geht es nun weiter? Der Druck auf den Kreml aus der eigenen Bevölkerung könnte so groß werden, dass Putin zumindest Entschlossenheit im Kampf gegen den Terror demonstrieren muss. Ein erster Vorgeschmack: Die mutmaßlichen Täter des Moskauer Terroraktes werden am Montag in einen Gerichtssaal geführt – mit sichtbaren Verletzungen, die wahrscheinlich durch Folter hervorgerufen wurden. Damit will Putin Stärke demonstrieren. Doch die Terrorismusbekämpfung soll laut Putin wahrscheinlich keine Ressourcen der Armee verschlingen, denn die werden in der Ukraine gebraucht. Auf der anderen Seite könnte Kiew vom Chaos in Russland profitieren. Denn die ukrainische Armee ist aufgrund von Munitionsmangel momentan in der Defensive. Es geht für sie darum, Zeit zu gewinnen, bis die vom Westen versprochenen Lieferungen im Land eintreffen. Deshalb greifen kremlkritische Milizen den Süden von Russland an, deshalb attackiert die Ukraine russische Öldepots. Es geht für Kiew darum, die russische Kriegslogistik zu verlangsamen. Russische Offensive ohne große Gebietsgewinne Momentan liefern sich russische und ukrainische Truppen an den Fronten weiterhin erbitterte Gefechte. Insgesamt seien im Laufe des Montags 45 Kampfhandlungen registriert worden, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die russischen Einheiten seien dabei mit 56 Luftangriffen unterstützt worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Aber die Intensität russischer Bodenangriffe hat in den vergangenen Wochen stets nachgelassen. Vielmehr attackiert Russland die Ukraine gegenwärtig wieder mit zahlreichen Raketen und Drohnen. Kremlsprecher Dmitri Peskow deutet aber auch weitere russische Offensiven an. Man müsse alles unternehmen, um die Bewohner der besetzten und inzwischen annektierten Gebiete im Osten der Ukraine zu schützen, wird Peskow von der Staatsagentur Tass zitiert. Klar: Putin möchte die ukrainische Schwäche nutzen und noch weiteres ukrainisches Territorium erobern, solange die Ausrüstungsprobleme bei den Verteidigern anhalten. Ob dieser Plan nun aufgeht, ist allerdings mehr als fraglich. Denn plötzlich steckt der Kreml in der Zange zwischen Terrorismus und einem Angriffskrieg. Das kostet bislang zwar noch keine Ressourcen, aber der Kreml muss sich mit der neuen Bedrohungslage auseinandersetzen. Schon jetzt muss Putin Maßnahmen vornehmen, um dem eigenen Kontrollverlust in der inneren Sicherheit vorzubeugen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass das der Ukraine zumindest ein wenig mehr Luft zum Atmen gibt.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *